"Schlauer Fuchs" trennt Eisen und Schlacke
PAZ-Serie zur Geschichte der Ilseder Hütte (19.09.2007)
4. Teil: Hochöfen und Nebenanlagen/Von 1860 bis 1983 wurden etwa 50 Millionen Tonnen Roheisen in Ilsede produziert/Nach Schließung Verlagerung nach Salzgitter
Von Thomas Kröger
Die Schornsteine der Hochöfen haben mehr als ein Jahrhundert das Bild der Ilseder Hütte bestimmt. Majestätisch ragten sie über dem Hüttenwerk und stießen ohne Unterlass schwarzen Rauch in die Luft.
Ilsede. Heiß, stickig, schmutzig. Die Arbeit in den Hochöfen war kein Zuckerschlecken. 1860 begann die Roheisenproduktion in den ersten beiden Hochöfen in Ilsede. Im Laufe der Produktionszeit wurden insgesamt sechs Hochöfen gebaut. Der ehemalige Oberingenieur der Hochöfen in Ilsede, Klaus-Henning Großpietsch, sagt der PAZ: „Am Anfang musste das im Tagebau Bülten-Adenstedt abgebaute Erz noch mit Pferdewagen nach Ilsede transportiert werden. Später wurde eine Schienentrasse parallel zur Gerhard-Lukas-Straße gebaut, bevor man ab 1871 einen Dampfzug einsetzte“.
So wurde das Eisen hergestellt: Den Hochofen füllte man mit dem sogenannten Möller als Träger der eisenhaltigen Stoffe, der Zuschläge – unter anderem Kalk und Kies – und dem Hochofenkoks als Energieträger. „Der Hochofen blieb während der Betriebszeit ständig gefüllt“, erklärt der 67-jährige, der jetzt als Rentner in Klein Ilsede lebt. Die Rohstoffe wurden mit Förderkübeln über einen Schrägaufzug zur Einfüll-Öffnung oben am Hochofen befördert, entleert, und ins innere geschüttet.
Ab 1921 gab es dann laut Großpietsch eine Elektrohängebahn, „die auf einer Höhe von 30 Metern mit 3600 Kübelwagen den Hochofen abwechselnd mit Erzen, Zuschlagstoffen und Koks befüllte“. Die Hängebahn ersetzte die Arbeit von 300 Leuten, die danach woanders im Werk eingesetzt wurden. Sie veränderte das äußere Bild des Werkes und war eine zukunftsweisende technische Installation. „Doch trotz der Verbesserungen war die Arbeit immer hart und schmutzig“, betont der Ex-Oberingenieur.
Vor allem die Arbeit an der Gicht, der Befüllungsöffnung des Hochofens, sei besonders gefährlich gewesen, „denn der Arbeiter musste beim Befüllen der Gichtschüssel oft die Luft anhalten, um nicht das leebnsgefährliche Gichtgas einzuatmen“.

Der verflüssigte Hochofeninhalt wurde im Unterofen gesammelt und in Abständen von bis zu vier Stunden „abgestochen“. Dabei bohrten die Arbeiter an der unteren Öffnung eine keramische Masse an, die den Ofen verschloss. Den ausfließenden Inhalt leitete man in die Abstichhalle über ein Rinnensystem im Boden in die bereitstehenden Kühlpfannen. Roheisen und Schlacke wurden über eine Abscheidevorrichtung getrennt, dem sogenannten Fuchs.



„Die Vorrichtung wurde Fuchs genannt, da sie so schlau ist, zwischen dem Eisen und der Schlacke zu unterscheiden“, sagt Großpietsch der PAZ. Die meisten Hochöfen besaßen aber zwei Abstichvorrichtungen. Eine für die Schlacke und eine etwas tieferliegende für das flüssige Eisen. Dabei wurde der Dichte-Unterschied der Stoffe zur Trennung genutzt.
Bis 1911 lief das produzierte Roheisen in sogenannte Kühlpfannen, um darin zu erkalten. Das feste Eisen wurde in 50-Kilo Stücken auch an Gießereien in ganz Deutschland verkauft – ab 1871 ging dann sämtliches in Ilsede produziertes Eisen zur Weiterverarbeitung ins Stahlwerk Peine. Ab 1911 konnte man das Roheisen in flüssigem Zustand zum Stahlwerk fahren – ein erheblicher wirtschaftlicher Vorteil.
Die Schlacke benutzte man lange Zeit als Bau- und Verfüllmaterial für den Tagebau, und erst ab 1921 verarbeitete die Ilseder Schlackenverwertung die Hochofenschlacke zu Schotter und Straßenbaustoff.
Einen großen technischen Schub gab es 1965, denn da wurde die Hochofenanlage dem neuesten technischen Stand angepasst. Der Ilseder sagt: „Die alte Elektrohängebahn ersetzten wir damals durch eine elektronisch gesteuerte Bandbegichtungsanlage, deren Förderbänder bis zu zwei Meter breit waren. Damit konnte man viel schneller den Ofen mit Material füllen und die Produktion enorm steigern. Dazu kamen neue Winderhitzer, die die Roheisenherstellung nochmals billiger machten. Die Produktion stieg auf 150 000 Tonnen pro Monat.



1983 kam dann das Aus: Nach 123 Jahren wurde die Roheisenproduktion in Ilsede eingestellt und aus wirtschaftlichen Gründen nach Salzgitter verlagert. Laut Großpietsch stellten die Ilseder Hütten-Mitarbeiter „in der gesamten Betriebszeit etwa 50 Millionen Tonnen Roheisen her“.
Bezugsquelle: Text und Fotos stammen aus der Peiner Allgemeine Zeitung (PAZ) Serie zur Geschichte der Ilseder Hütte. Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe vom 19. September 2007.